Parallel dazu habe ich mit dem Aufbau eines Recherchenetzwerks zu Betroffenen über diverse Social Media (Facebook, Twitter, Blogs, Chat-Gruppen) begonnen, um darüber quasi „Feldforschung“ zum Alltagsleben mit der Krankheit betreiben zu können. Social Media ermöglichen es seit einigen Jahren den Betroffenen erstmals mit einer breiteren Außenwelt zu kommunizieren und auf ihre Situation aufmerksam zu machen, da ein Großteil der an MECFS-Erkrankten an Bett oder Wohnung gebunden ist.
Darüber hinaus habe ich Kontakt mit relevanten Gesundheitspolitiker:innen, Mediziner:innen und Wissenschaftler:innen aufgenommen und schließlich Gespräche und Interviews geführt mit u. a. Dr. Bhupesh Prusty (Virologe, Uni Würzburg), Dr. Michael Stingl (Neurologe, Wien), Prof. Dr. Uta Behrends (Immunologin, TU München), Bernhard Seidenath (Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Bayerischen Landtags) und Klaus Holetschek (Staatsminister für Gesundheit).
Meine Recherchen ergeben ein erschreckendes Bild gesamtgesellschaftlichen Versagens im Umgang mit einer Krankheit, von der aktuell in Deutschland schätzungsweise 300.000 Menschen betroffen sind – Tendenz durch Long-COVID dramatisch steigend. MECFS nimmt vor allem den Schwer- und Schwerstbetroffenen jegliche Lebensqualität. Ihr Leben bewegt sich nur noch zwischen Bett und Badezimmer, oft sind sie 95 oder gar 100% des Tages an das Bett gefesselt. Im besten Fall ist es ihnen möglich, Musik zu hören, Filme zu schauen oder ein wenig zu lesen oder auf Social Media aktiv zu sein. MECFS-Betroffene leben in einem permanenten Lockdown, die Ausgangsbeschränkung betrifft die gesamte Welt außerhalb der Wohnung. Die chronische Erschöpfung macht eine Teilhabe am Leben draußen in der Regel unmöglich. Leben spielt sich nur noch im Kopf der Betroffenen ab, die sich entweder durch Meditation oder Schaffung von Phantasiewelten beschäftigen.
An der Versorgung der Betroffenen mangelt es an allen Ecken und Enden. Versorgungsämter und Kranken-/Pflegekasse sind überfordert mit der Beurteilung und Bewilligung von Anträgen.
Der Forschungsstand zu der Krankheit steckt noch in den Kinderschuhen, auch weil sich für die Krankheit bislang kaum eine Lobby oder Interesse der Pharma-Industrie findet und notwendige Forschungsmittel für die wenigen Spezialist:innen fehlen. Ein Medikament oder eine allgemeine Behandlungsmethode gibt es bis dato noch nicht. Die dringend notwendige interdisziplinäre Forschung könnte nur durch den Willen der Politik befördert werden. Dass dies im Falle von COVID und Long-COVID mit Milliardenbeträgen möglich ist, haben wir in den vergangenen Monaten erlebt. Wo ein Wille ist, da ist ein Weg. Der Wille fehlt hinsichtlich MECFS aber (noch). Von der Solidarität, die sich während der Corona-Pandemie gesamtgesellschaftlich gezeigt hat, besteht bei MECFS keine Spur.
Es ist höchste Zeit dafür, dass massiv auf die Problematik aufmerksam gemacht wird. Z.B. auch durch ein Dokumentartheaterprojekt, das sich mit diesen Zurückgelassenen und Ausgegrenzten unseres Gesundheitssystems und dem skandalösen gesundheitspolitischen Umgang mit den 300.000 Betroffenen in Deutschland (aber auch weltweit) beschäftigt.
#IAmHere in Vorbereitung.
#IAmHere - EINE KÜNSTLERISCHE INTERVENTION AM INTERNATIONALER ME/CFS-TAG
Unter dem Motto #IAmHere sollen an diesem Tag am Volkstheater Wien und nach Möglichkeit an weiteren Orten im öffentlichen Raum Porträts und Statements von Betroffenen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zu sehen sein. Die Aktion thematisiert das von Betroffenen empfundene Unsichtbar-Sein und das Vergessen-Werden durch die Gesellschaft, indem sie Menschen mit ME/CFS Stimme und Gesicht gibt und auf ihre Situation aufmerksam macht.
Karen Breece ist selbst familiär betroffen und einigen von euch vielleicht schon bekannt durch ihre Recherchen für ihr nächstes Theaterprojekt am Volkstheater Wien, bei dem sie den Schwerpunkt ebenfalls auf die schwere chronische Krankheit ME/CFS legen wird. Zudem ist sie Initiatorin und Kuratorin von #IAmHere.
#IAmHere findet in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für ME/CFS, der Deutschen Gesellschaft für ME/CFS, #MillionsMissing Deutschland und der Schweizerischen Gesellschaft für ME & CFS statt.
Wenn ihr Interesse habt, an der Aktion teilzunehmen, mailt uns bitte ein möglichst hochauflösendes Foto von euch (Porträtfoto vom Gesicht) und/oder ein persönliches Statement (bitte nur 1 Satz!) an folgende E-Mail-Adresse: IAmHere@dg.mecfs.de. Wer namentlich zum Foto oder Statement genannt werden möchte, gibt bitte seinen Namen an (vollständig mit Vor- und Nachnamen oder Vorname mit erstem Buchstaben des Nachnamens). Deadline für das Einsenden eurer Portraits und/oder Statements ist der 28. April 2022.
Wir freuen uns auf eine zahlreiche Teilnahme.
30.05.2022 GESCHAFFT!
Der Fotoaufruf ist nun beendet. Wir können aktuell leider keine weiteren Fotos mehr annehmen.
Vielen Dank an alle, die hier so zahlreich mitgewirkt haben - wir sind begeistert!
#IAmHere
Initiatorin/Kuration: Karen Breece; Kuratorische Begleitung: Felix Schall; Moderation: Sahel Zarinfard / Dossier; Video/Projektion: Max Hammel; Projektmanagement: Sophia Fischer
Die Geschichten der Mitwirkenden vereinzelt hier in Kürze.
Hunderte von Portraitfotos sind bei uns eingegangen und werden über einen längeren Zeitraum im Volkstheater zu sehen sein. In Kürze wird es zur Ausstellung einen Link geben.
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